Theologe, Therapeut, Tausendsassa


Nach elf Jahren verabschiedet sich Pater Christoph Kreitmeir aus Vierzehnheiligen. Am 2. Oktober predigt er zum Abschied in allen drei Sonntagsmessen um 7.30, 9.00 und 10.30 Uhr in der Basilika Vierzehnheiligen.

P. Christoph neben der Statue des Hl. Franziskus
P. Christoph neben der Statue des Hl. Franziskus

Wenn der Gottesgarten einen Hauptsitz hat, ist es wohl Vierzehnheiligen. Und einer der „Gärtner Gottes“ wird nun weiterziehen. Er hat - im übertragenen Sinne - Bäume gepflanzt und Wege gepflastert, Menschen wieder Boden unter den Füßen gegeben und zahlreiche Spuren hinterlassen. Pater Christoph Kreitmeir war elf Jahre lang Hausökonom, Seelsorger und Leiter des Wallfahrtsbüros der Basilika - länger als gedacht. „Die Regel bei uns Franziskanern lautet: sechs bis neun Jahre an einem Ort zu verweilen, zu arbeiten und zu missionieren. Meine Zeit ist jetzt gekommen, ich suche nach neuen Herausforderungen“, erzählt der 54-Jährige mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

 

Mit 22 Jahren trat Christoph Kreitmeir in den Franziskanerorden ein. Wenn er jetzt Gottesdienste hält, ist die lichtdurchflutete Basilika gut besetzt. Es sind auch jene Menschen, die sonst in den Kirchen fehlen, an denen vorbeigepredigt wird, die ihren Sonntagmorgen opfern, um von den Franziskanern in Vierzehnheiligen Seelennahrung zu bekommen. Pater Christoph erreicht die Menschen mit seinen Predigten durch gebildeten Witz. Und auch seine Bücher sind Bestseller. Die Veröffentlichungen sind für die Suchenden, und auch er selbst findet sich immer wieder neu: „Während ich meine Bücher schreibe, finden sich weitere Erkenntnisse und Gedankengänge. Wer lebendig ist, muss sich stetig entwickeln.“

Kreitmeirs fünftes Buch „Zeit für mich - Zeit für Gott“ ist mittlerweile erschienen und will nicht nur in der Adventszeit positive Impulse geben. Der Titel spricht für ihn. Er führte in Vierzehnheiligen einen „freien Tag“ für sich ein. Er sei nicht nur Malocher, sondern auch Mensch, und ein „Sieben-Tage-Schlauch“ sei nicht förderlich für die Seele. „Nebenbei“ hielt er über 400 Vorträge in den vergangenen elf Jahren. Die individuelle Art des Franziskaners sprach sich schnell herum. Manager mit Burnout, Verlassene, Traurige oder Zweifelnde auf der Suche nach dem Sinn des Lebens nahmen dort seine Gedanken auf.

 

Doch was hat dieser Mann in der braunen Kutte, was andere nicht haben? Neben gewiefter Rhetorik, gewagten Gedanken und freigeistlichem Esprit? Kreitmeir überzeugt mit Menschlichkeit. „Ich mag die Menschen. Ich nehme jeden, wie er ist und habe die einfache Gabe, mich in Gefühlswelten hineinzuversetzen und mit neutralem und geschultem Auge zu beraten.“ Diese Gabe läge zu gleichen Teilen in den Genen, im Umfeld, in dem er aufwuchs und den Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahrzehnten sammelte. Seine Eltern lebten ihm ein solides und solidarisches Miteinander vor. Er hat sieben leibliche Geschwister, dazu adoptierten seine Eltern ein Mädchen aus Ecuador und später kamen noch drei Mädchen aus Äthiopien hinzu. „Meine Kindheit hat mich sehr geprägt. Eines Tages fiel mir dann noch ein Buch über Franziskus in die Hände, was sein Übriges tat. Ich fühle mich ihm Tag zu Tag verbundener, erkenne charakteristische Parallelen und Lebenszüge. Ich sehe ihn tatsächlich als meinen Bruder.“

„Es ist besser ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“

Pater Christoph Kreitmeir

Kreitmeir hat selbst die Schattenseiten des Lebens erfahren, trotzdem ist er ein optimistischer Seelsorger, der niemals den Humor verloren hat: „Der Humor war schon immer einer meiner wichtigsten Begleiter. Ernste Themen kompakt zu verpacken, Menschen, die Grund zum Weinen hätten, ernst zu nehmen und ein Lächeln zu entlocken - diese Momente geben mir unglaublich viel zurück. Ein guter Therapeut ist meist selbst ein verwundeter Heiler. Es ist besser ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen, ist mein Lebensmotto geworden.“

 

Er engagiert sich für gebrochene, ungläubig-suchende oder schlichtweg unglückliche Seelen. Pater Christophs Beratungsstunde ist keine Bibelkunde. Gut 2500 Gespräche mit über 600 Ratsuchenden sind die Bilanz seines Wirkens hier am Obermain. Über die Jahre habe er sich ein Netzwerk aus Ärzten, Heilpraktikern, Physiotherapeuten und Psychologen geknüpft, die seine Arbeit mit Fachkenntnissen unterstützen. „Wenn jemand zu mir kommt und sagt, er habe mit der Kirche nichts am Hut, dann ist das für mich okay. Dann biete ich ihm an, auf rein psychologischer und spiritueller Ebene mit ihm einen Weg zu finden. Gott spielt sowieso überall mit“, meint er.

 

Freiheit und Kreativität

 

Weiter sehe er die „Institution Kirche“ als seinen Rahmen. Das Bild darin, das male er hingegen selbst. Freiheit und Kreativität seien für ihn höchste Güter. Er zwänge seine „Klienten“ nicht in eine kompromisslose Enge aus trockener Theologie. Er rate zu leben, zu lieben und zu lachen. Und Jesus Christus ins Leben zu lassen. Sein Motto habe er von Pater Heribert Arens übernommen: Suchst du Gott, dann such ihn unten.

 

„Ich fühle mich als Reformer. Franz von Assisi reformierte die Kirche ohne zu spalten, im Gegensatz zu Martin Luther. Auch ich stehe hinter und in der Kirche, mit dem Leitgedanken: Ecclesia semper reformanda - Kirche muss sich immer wieder erneuern“, sagt Kreitmeir, und sein Blick verrät, dass er schon lange angekommen ist. Was jedoch nicht bedeutet, dass er stehen bleibt. Der moderne Pater erweitert seinen Horizont, wo es nur geht. Vor drei Jahren rief er die Syrienhilfe der Franziskaner von Vierzehnheiligen ins Leben und konnte dafür inzwischen über 25 000 Euro sammeln.

 

Er reiste unter anderem nach Sri Lanka, Indien, Tunesien und Marokko und beschäftigte sich mit Hinduismus, Buddhismus und dem Islam. Jede neue Erkenntnis habe ihm bestätigt, dass er in seinem Glauben, seinem Handeln und seinen Worten richtigliegt. Als Helfer der 14 Nothelfer von Vierzehnheiligen hat er viele Menschen an die Hand genommen, aus Sackgassen geführt und als ein Wegweiser die Brücke zu Gott und zu einem gelingenden Leben gezeigt. Jetzt nimmt ihn sein Ordensvater Franz von Assisi an die Hand und zeigt ihm, dass noch andere Orte und Menschen auf ihn warten.

 

Seit er seinen Abschied bekannt gegeben hat, erfährt er, was er am Obermain alles bewirkt hat: „Ich bekomme so viele unerwartete Mails, in denen Menschen sich noch einmal bedanken. Von einer 80-jährigen Dame, die ich nicht einmal persönlich kenne, erhielt ich einen Dankesbrief. So etwas lässt mein Herz aufgehen. Ich bin sehr dankbar für meine Zeit hier.“

 

Neue Aufgabe auf dem Frauenberg

 

Ganz nach den Worten „Der Franziskaner erreichte sein Ziel, denn er kam niemals an“, führt sein Weg nun zu neuen Zielen und Aufgaben. Nach einer Umstrukturierung des Klosters Frauenberg in Fulda werde er dort mit neun Mitbrüdern ein spirituelles Zentrum aufbauen. „Ich freue mich auf Fulda. So Gott will, wird mich mein Weg irgendwann einmal wieder nach Vierzehnheiligen führen. Pater Heinrich und Pater Ernst kamen ein zweites Mal nach Vierzehnheiligen, Pater Benedikt sogar ein drittes Mal. Aber jetzt wartet erst mal eine neue Aufgabe auf mich“, meint Kreitmeir und lächelt dem Kloster Frauenberg gespannt entgegen.

 

 

Foto und Text: Sophie Röder, Obermain-Tagblatt