„Dankbarkeit und Liebe sind Geschwister.“
(Christian Morgenstern)
Wer den Ist-Zustand seines Lebens akzeptiert, versöhnt und dankbar zurück schaut und hoffnungsfroh in die Zukunft blickt, lebt die Dankbarkeit. Sie ist eine universelle Kraft mit vielen positiven Auswirkungen und Folgen auf unser eigenes Leben, auf das Zusammenleben und schenkt die Grunderfahrung, geborgen im Leben zu sein.
Die Dankbarkeit hat viele Geschwister, die genannt werden wollen: Selbstliebe, Nächstenliebe, Achtsamkeit, annehmende Akzeptanz, Mitgefühl, Lebensfreude, Hoffnung, Optimismus, Zuversicht, Versöhntsein, Gelassenheit und Zufriedenheit. Wer dankbar leben lernt, wird entdecken, dass auch die genannten Seelenqualitäten wachsen werden. Danken ist eine Lebenshaltung.
Die Bestsellerautorin Christina Berndt nennt in ihrem Buch „Zufriedenheit. Wie man sie erreicht und warum sie lohnender ist als das flüchtige Glück“ neben Neugier, Hoffnung und Hilfsbereitschaft die Dankbarkeit als Eigenschaft, die zufriedenes Leben begünstigt. Zufriedene Dankbarkeit bewirkt dankbare Zufriedenheit: „Man schließt einen inneren Frieden mit sich selbst und den Bedingungen, unter denen man lebt; man beendet das Grübeln, wo es einen nicht weiterbringt, und ist dankbar für das, was man hat, anstatt ständig an das zu denken, was man nicht (mehr) hat.“ (C. Berndt, Zufriedenheit, S. 115)
Undank ist die Vergesslichkeit des Herzens, Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens. Sie hilft uns, negative Gedanken und Gefühle in Schach zu halten und unser ganzes Leben in einem anderen Licht zu sehen.
Übung, um die Dankbarkeit zu vergrößern:
Machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Dankbarkeit in folgenden Lebensbereichen:
Mit der Zeit werden Sie entdecken, wo Ihre Dankbarkeit mehr Aufmerksamkeit benötigt. Konzentrieren Sie Ihre Seelenkräfte darauf und dankbare Zufriedenheit wird in Ihrem Leben wachsen. Gelernte Dankbarkeit ist ein Schutzschild gegen niedere Emotionen wie Neid, Groll, Gier, Bitterkeit und andere Gefühle, die uns von Innen heraus dunkel werden lassen.
Die Volksseele weiß das schon lange, wie das Märchen „Frau Holle“ der Gebrüder Grimm zeigt: Die gute spätere Goldmarie hilft den um Hilfe bittenden Broten aus dem Ofen, den Äpfeln vom Baum und sie schüttelt fleißig die Betten der Frau Holle. Und weil das aus einem reinen Herzen heraus geschieht, wird sie dafür zum Dank mit Gold überschüttet.
Das Märchen macht aber auch das Gegenteil klar: Wer gezielt auf lukrative Dankesgaben spekuliert, wer nur hilft, um belohnt zu werden, erreicht das genaue Gegenteil: Die böse Stiefschwester der Goldmarie – die spätere Pechmarie – will nichts als das Gold, schlägt Hilfsbitten aus und verrichtet ihre Arbeit bei Frau Holle widerwillig. Deshalb wird ihr eine Dusche mit klebrigem Pech verabreicht. Pech, das sie in ihrem weiteren Leben verfolgt.
Echte Dankbarkeit kommt aus einem aufrichtigen Herzen und rechnet nicht. Dankbare Menschen teilen gerne und deshalb wird ihnen auch gerne und freiwillig zurückgegeben, wie eine alte Geschichte erzählt: Androklus, ein entlaufener Sklave, trifft auf der Flucht einen Löwen, hilft ihm bei der Entfernung eines Stachels aus seiner Pfote, wird dann gefangen und den Löwen in der Arena vorgeworfen. Unter ihnen ist der Löwe, dem er geholfen hat. Dieser legt sich nun freundlich schnurrend dem Verurteilten zu Füßen, der daraufhin begnadigt wird.
Diese Geschichte enthält eine psychologische Lebensweisheit: Wenn ich jemandem mit dankenswürdigen Wohltaten beschenke, dann kann das bei ihm das freudige Gefühl der Dankbarkeit auslösen. Es kann ihn veranlassen, mir aus einer schwierigen Situation zu helfen oder mich aus Dankbarkeit wiederum zu beschenken. Die Psychologie nennt dieses Phänomen das „Spiegelwohlwollen“: „Wer gibt, der empfängt“ – es muss nur aus reinem Herzen und ohne Hintergedanken geschehen.
Der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer stellt in seinem kurzen Text "Gib und nimm" dieses Phänomen sehr griffig dar: „Der Dank geschieht immer in zwei Bewegungen: Im Gefühl und in der Tat. Der Dank hat immer zwei Räume: Unser inneres und unser äußeres Leben. Der Dank hat immer zwei Organe: Unser Herz und unseren Kopf zum Fühlen und Denken in uns, und unseren Mund und unsere Hände ...“
Artikel und Foto: P. Christoph Kreitmeir
Katholisches Sonntagsblatt für die Diözese Rottenburg/Stuttgart Nr. 42/2016, 28/29