Wege aus dem Labyrinth

(in: Erik Purk (Hrsg.), bewegt werden. Der spirituelle Fastenbegleiter, Stuttgart 2006, 46-47, etwas gekürzt)

 

Das Labyrinth ist ein sehr realistisches Symbol für unser Leben. Wer in der Mitte angekommen ist, wird dort nicht ewig bleiben können. Er muss wieder zurück-kehren. ... 

Wer sich schon einmal auf einen Pilgerweg gemacht hat, der kennt das Gefühl: Man hat sich lange auf ein besonderes Ziel zubewegt. Man war an einem Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren. Und nun soll man wieder zurück in den Alltag. Wer will das schon?

 

Nachdem aber das Ziel erreicht ist, geht es aber darum, wieder umzukehren. Die Mitte des Labyrinths wendet meinen Blick dorthin, von wo ich gekommen bin. Daher gilt auch: Der Weg aus dem Labyrinth heraus ist im Letzten sogar der wichtigere von beiden. Deswegen ist es gut, die Menschen meines Alltags, meine Arbeit, meine Aufgaben in der Mitte des Labyrinths im Herzen zu bewegen:

Was bedeuten mir eigentlich die Menschen, die mir nahe stehen?

Was ist eigentlich meine Aufgabe?

Was ist mein nächster Schritt?

Vielleicht führen mich diese Fragen soweit, dass ich merke: Die Heimat ist gar nicht dort, wo ich es meinte, und die Aufgaben meines Lebens sind ganz andere, als ich dachte.

 

An dieser Stelle ... zur Minotaurus-Sage: Theseus muss in das Labyrinth, um das Ungeheuer (und somit auch sich selbst) zu besiegen. Seine geliebte Ariadne gibt ihm einen Faden mit, den er am Eingang des Labyrinths befestigt, um so wieder zurückzufinden, den berühmten Faden der Ariadne. Und an dieser Stelle stellt sich doch (nach allem, was wir über das Labyrinth wissen), die Frage: Wieso hat Theseus einen Faden gebraucht, um aus dem Labyrinth herauszufinden? Es gibt doch nur sowieso nur einen Weg, hat er das denn nicht gemerkt?

 

Gernot Candolini hat darauf eine simple Antwort: "Für einen Mann ist es immer leichter, zu einer Heldentat aufzubrechen als zur Liebe." (Gernot Candolini, Im Labyrinth sich selbst entdecken)

 

Die Mitte ist ein seltsamer Ort. Sie trägt, sie schützt, sie tut gut. Aber irgendwann weiß ich, dass das noch nicht alles war. Ich muss wieder zurück. Und dieser Weg aus dem Labyrinth heraus ist weitaus unspektakulärer als der Weg hinein. Ein Weg mit weit weniger Eindrücken und Ereignissen. Ein eher stiller Weg. Aber genau auf diesen Weg kommt es an.

 

"Wir werden nicht aufhören zu erkunden,

und das Ende all unserer Erkundungen

wird die Ankunft an der Stelle sein,

wo wir begannen,

und wir werden sie zum ersten Mal erkennen."

(T.S. Eliot)

 

IMPULS:

 

Wovor drücke ich mich schon lange?

Was ist mein nächster Schritt (ich brauche dafür gar nicht lange überlegen, 

ich kenne ihn genau - und sollte ihn endlich gehen)?